„Für ein starkes Lieferkettengesetz ohne Kompromisse“ so steht es auf einem Plakat im Schaufenster des Weltladens Freising.

Erschreckende Berichte über brennende Fabriken, ausbeuterische Kinderarbeit oder zerstörte Regenwälder zeigen immer wieder: freiwillig kommen nur wenige Unternehmen ihrer Verantwortung ausreichend nach. Daher fordern der Weltladen Freising und das Faire Forum ein starkes Lieferkettengesetz. Unternehmen, die Schäden an Menschen und Umwelt in ihren Lieferketten verursachen oder fahrlässig in Kauf nehmen, müssen dafür haften. Skrupellose Geschäftspraktiken dürfen sich nicht länger lohnen. Anlässlich der Fashion Revolution Week (19.-25. April 2021), die an den Brand in einer pakistanischen Textilfabrik in 2012 erinnern soll, greift der Weltladen diese Forderung in seiner Schaufenster Dekoration auf, denn die Corona-Pandemie erschwert die Situation der Arbeiter*innen in der Textilindustrie zusätzlich. Wegen geschlossener Geschäfte haben im Frühjahr 2020 viele Bekleidungshändler*innen ihre Aufträge storniert oder Preisnachlässe von den Produzent*innen verlangt. Für die Näher*innen in der Textilindustrie hatte dies Entlassungen und niedrige Löhne und damit existenzielle Bedrohungen zur Folge.

Jede*r von uns kann durch sein Konsumverhalten hier Zeichen setzen. Nachhaltige strukturelle Verbesserungen könnte ein Lieferkettengesetz bringen. Am 03. März hat die Bundesregierung einen Entwurf für ein Lieferkettengesetz beschlossenen, welches jetzt im Bundestag beraten werden soll. Aus Sicht vom Weltladen Freising und vom Fairen Forum reicht dieser Gesetzesentwurf allerdings nicht aus, Menschen- und Umweltrechte in globalen Lieferketten wirksam zu schützen, denn:

  • Im Kompromisspapier ist keine zivilrechtliche Haftung vorgesehen.
  • Die Sorgfaltspflichten gelten im Entwurf nur bei direkten Lieferanten in vollem Umfang.
  • Eine eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflicht ist bisher aus unverständlichen Gründen nicht vorgesehen.
  • Das Lieferkettengesetz gilt zunächst nur für große Unternehmen mit mehr als 3.000 bzw. ab 2024 1.000 Beschäftigten.

Weltladen und Faires Forum fordern mit weiteren Aktueur*innen Nachbesserungen an dem Gesetzesentwurf (siehe unten). Wer sich dieser Forderung anschließen will, findet unter lieferkettenbrief.de eine Möglichkeit, dies gegenüber dem zuständigen Bundestagsabgeordneten kund zu tun.

Hintergrund zu Nachbesserungen im Lieferkettengesetz:
Die ganz Lieferkette: Viele Menschenrechtsverstöße ereignen sich am Beginn der Lieferketten, z.B. Kinderarbeit auf Plantagen oder die Vertreibung von Menschen für Bergbauprojekte. Deshalb fordern wir vollumfängliche Sorgfaltspflichten nicht nur für den eigenen Geschäftsbereich und unmittelbare, sondern auch mittelbare Zulieferer – wie es die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vorsehen. Konkret heißt dies, dass Unternehmen dazu verpflichtet werden, proaktiv entlang ihrer gesamten Lieferkette Menschenrechts-Risiken zu analysieren und dann Maßnahmen zu ergreifen, die sich an Ausmaß und Umfang der Menschenrechtsverstöße und ihren eigenen Einflussmöglichkeiten bemessen. Das Lieferkettengesetz muss sich klar an diesem internationalen Standard orientieren. Ein Rückschritt dahinter, wie er durch die abgestuften Pflichten im Referentenentwurf vorgesehen ist, ist inakzeptabel und birgt einen Anreiz zum Wegschauen bei drängenden Herausforderungen in der tieferen Lieferkette.

Zivilrechtliche Haftung: Wer im Ausland von Schäden durch Sorgfaltspflichtverletzungen betroffen ist, muss vor deutschen Gerichten auf Wiedergutmachung klagen können. Deswegen ist eine explizite zivilrechtliche Haftungsregel mit Anwendungsvorrang nötig. Sie gewährleistet bei Schadensfällen einen angemessenen Zugang zum Recht. Die Möglichkeit zur Vertretung der Betroffenen im Verfahren durch Organisationen und Gewerkschaften ist ein Fortschritt, aber sie löst viele Probleme nicht. Ein Haftungsrisiko stellt außerdem den wirksamsten Anreiz für Unternehmen dar, menschenrechtliche und Umweltrisiken in ihren Lieferketten durch angemessene Sorgfaltsmaßnahmen zu minimieren.

Umweltbezogene Sorgfalspflichten: Die Umwelt muss als unabhängiges Schutzgut in das Gesetz aufgenommen werden. Der Gesetzesentwurf grenzt umweltbezogenen Sorgfaltspflichten ein auf zwei internationale Abkommen und einige Umweltgüter in Verbindung mit Menschenrechten. So entstehen Schutzlücken – auch für Menschenrechte. Die eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflicht muss alle für Deutschland verbindlichen internationalen und europäischen Standards umfassen. Das Lieferkettengesetz darf die Schutzgüter Klima und Biodiversität nicht ausklammern. Es muss die Umweltgüter ganzheitlich und langfristig sichern.

Ausweitung des Geltungsbereichs auf alle Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden sowie auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Sektoren mit besonderen menschenrechtlichen Risiken: Große Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden haben in der Regel die Mittel, ihre Sorgfaltspflicht in den Lieferketten zu erfüllen. Sie dürfen nicht aus ihrer Pflicht entlassen werden. Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in risikoreichen Sektoren haben Einfluss auf die Menschenrechte in Lieferketten. Auch sie sollten Sorgfaltspflichten im Rahmen ihrer Möglichkeiten erfüllen. Die aktuelle Beschränkung erschwert, dass kleinere und große Player in risikoreichen Branchen gemeinsam bestehende Herausforderungen angehen. Eine Beschränkung auf Unternehmen mit Sitz in Deutschland benachteiligt diese ungerechtfertigt. Das Gesetz sollte deshalb für alle in Deutschland geschäftstätigen Unternehmen gelten.