Nachdem der Weltladen Babenhausen bei seiner Renovierung am Jahresanfang wertvolle Erfahrungen rund um den Tapetenwechsel sammeln konnte, wagt er sich jetzt an ein ganz großes Projekt. „Die Welt braucht einen Tapetenwechsel“. So lautet das Motto des diesjährigen Weltladentages am 8. Mai 2021. Dabei steht man vor einer Mammutaufgabe. Denn es ist nicht nur der eine oder andere Raum dringend zu renovieren, viele tragende Teile müssen ersetzt werden in zukunftsweisender Bauweise und Raum geschaffen werden für neues Denken, mehr soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Antirassismus, Gesundheit für alle und eine intaktere Umwelt!

Hinter der Aufzählung ohne Anspruch auf Vollständigkeit verbirgt sich die ganze derzeitige Fragilität unserer Erde. Und die Aufgabe, sozialpolitisch, umweltpolitisch, entwicklungspolitisch umzudenken, umzuräumen und neu zu gestalten. Dabei wird es nicht ausreichen, nur einige Male im Eimer zu rühren und Beschädigtes zusammenzukleistern. Vielmehr ist es an der Zeit, mutig und innovativ begrenzte nationale Denkmuster zu überschreiten, Mauern zu beseitigen und endlich universal zu handeln. Die Auswirkungen vieler menschengemachter Fehlsteuerungen machen schon längst an keiner Grenze halt. Das Corona-Virus hat deutlich gemacht, wie sich Konsequenzen des nachlässigen Umgangs mit der Umwelt ungefragt über den gesamten Erdball ausbreiten. Fluchtbewegungen, begründet in  politischen Machtspielen, in sozialem Elend und in einer nie endenden Ausbeutung armer Regionen rufen vor unserer Tür unbequem unsere Verantwortung in Erinnerung. Wenn wir dies verhindern wollen, dann reicht es nicht, die Grenzen zu schließen und den Blick abzuwenden, hinein in unser vermeintliches Idyll. Denn die Auswirkungen dieses Denkens holen uns mittlerweile immer schneller ein. Global sozusagen. Zur gepriesenen globalen Wirtschaft gesellt sich schon längst im Schlepptau die globale Misere. Es ist Zeit für einen Tapetenwechsel.

Hierfür krempelt der Weltladen Babenhausen im Mai erneut die Ärmel hoch und leistet seinen Beitrag durch schöne Dinge aus Indien und Bangladesch und durch die Thematisierung eines weiteren Leitsatzes des fairen Handels. Unter Punkt 7 schreibt die WFTO (World Fair Trade Organization) die „Sicherung guter Arbeitsbedingungen“ fest. Diese umfassen ein gesundes Arbeitsumfeld, kontrollierte Arbeitszeiten und -bedingungen und eine Ausrichtung nach den ILO-Konventionen, wo immer dies möglich ist. Die ILO ist eine internationale Arbeitsorganisation, 1919 gegründet und seit 1946 die erste Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Sie ist verantwortlich für die Entwicklung und Umsetzung internationaler Arbeits- und Sozialstandards. Der WFTO-Leitsatz Nummer 7 legt fest, dass Fair-Handels-Organisationen stets auf die Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen in den Produzentengruppen zu achten haben, mit denen sie zusammenarbeiten. Dabei soll darüber hinaus das Bewusstsein für Gesundheits- und Sicherheitsbelange und die Optimierung der Arbeitsabläufe bei den Produzenten proaktiv gefördert werden.*

Ein gelungenes Beispiel ist Pushpanjali, eine der ältesten Fair-Trade-Organisationen in Indien. 1982 mit fünf  Produzentengruppen gegründet, war die Idee von Beginn an, sozial und wirtschaftlich benachteiligten Menschen in und um die Stadt Agra zu sicherem Einkommen und mehr Lebensqualität zu verhelfen. Heute betreut die Organisation eine Reihe von Produzenten aus dem Bereich Kunsthandwerk. Zum Beispiel zwölf Frauen aus Ajam Para in Agra. Sie haben vor drei Jahren begonnen, ihren eigenen Lebensunterhalt durch ihre Arbeit in der Qualitätskontrolle und der Verpackung von Schals zu bestreiten. Die Frauen arbeiten an den Wochentagen von 10 bis 17 Uhr, während ihre Kinder die Schule besuchen. Gute Arbeitsbedingungen, ganz im Gegensatz zu den maroden indischen Textilfabriken als Spitze des Eisbergs oder die Giftmüllkippen in Afrika, auf denen Kinder den Elektromüll der Wohlstandsgesellschaften ungeschützt verbrennen, um an verwertbares Metall zu kommen und dafür mit ihrer Gesundheit bezahlen. Es gilt zu hinterfragen, was unsere Gesellschaft damit zu tun hat und inwieweit es nicht nur menschlich verständlich, sondern auch gerechtfertigt ist, dass Betroffene sich und ihre Kinder auf die „bessere“ Hälfte des Erdballs wünschen. Fehlender Arbeitsschutz, unkontrollierte Arbeitszeiten, beeinträchtigte Gesundheit bis hin zur Arbeitsunfähigkeit, fehlende Krankenversicherung, Armut, keine Bildungschancen, keine qualifizierte Arbeit, fehlender Arbeitsschutz, unkontrollierte Arbeitszeiten … Das ist die Vita vieler Arbeitnehmer und -nehmerinnen, die sich in ihren Nachfolgegenerationen identisch wiederholt, wenn niemand einschreitet und dazu beiträgt, das Gleichgewicht der beiden globalen Hälften endlich ins Lot zu bringen – fernab von Entwicklungshilfegeldern, die nicht in den nachhaltigen Ausbau wirtschaftlicher Eigenständigkeit fließen oder gar unkontrolliert statt in wasserspendenden Brunnen in den tiefen Taschen der Korruption versinken. Fernab von nationalem Lobbyismus, aber  auch fernab von privaten Spenden, für die mit flehenden Kinderaugen geworben wird und dadurch viele von uns in die moralische Verantwortung ziehen für Versäumnisse staatlicher Gremien. Diese einzufordern, ist das Gebot der Stunde! Das geplante Lieferkettengesetz ist dafür ein wertvoller Ansatz. Es soll Unternehmen verpflichten, im internationalen Handel immer auch auf die Produktions- und Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette zu achten und nicht nur auf den günstigsten Preis.

Der Kauf von Weltladenprodukten ist ein Geschäft auf Augenhöhe. Kleine Kooperativen in benachteiligten Regionen werden durch den Verkauf ihrer Produkte in die Lage versetzt, selbst der Armut und der sozialen Benachteiligung entgegenzuwirken und ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu sichern. Die Weltladenorganisation ist Vermittler zwischen Kooperativen, Importeuren und Abnehmern und leistet auf diese Weise einen uneigennützigen Beitrag zu der wirtschaftlichen Stabilisierung ärmerer Regionen. Diese Eigenständigkeit zu stärken, auszuweiten und im Idealfall zu einer gerechten Wirtschaftsstruktur und zu wirtschaftlicher Autarkie beizutragen, ist Ziel des Weltladen-Engagements und eine der zentralen Aufgaben bei der Umgestaltung der Welt.

Alles neu macht der Mai? Leider geht es nicht so schnell. Aber: Im Mai trägt der Weltladen Babenhausen speziell mit schönen Seidentüchern aus Indien dazu bei, perfekt geeignet für die erste Fahrt im Cabrio oder die frische Frühlingsbrise im eigenen Garten. Angrillen ist angesagt? Beim Schnippeln, Schneiden und Raspeln leisten Schneidebretter aus Marmor und Mangoholz, gefertigt in Indien, beste Dienste. Und wer dann noch eines der schönen Kosmetiktäschchen aus Bangladesch in Reichweite hat, zaubert nicht nur beste Steaks aufs Brett, sondern jederzeit auch Frühlingsfrische auf die Wangen. Malerarbeiten in eigener Sache, sozusagen …

Apropos: Sie tapezieren gerne? Sie sind renovierungserfahren? Raumgestalter aus Passion? Das Weltladen-Team freut sich über jeden, der sich einbringt.

 

* Prinzip 7: Sicherstellung guter Arbeitsbedingungen
Die Organisation sorgt für ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld der Beschäftigten bzw. Mitglieder und hält zumindest die nationalen und lokalen Gesetze sowie die ILO-Konventionen über Gesundheit und Sicherheit ein.
Die Arbeitszeiten und –bedingungen für Beschäftigte bzw. Mitglieder (und alle Heimarbeiter*innen) entsprechen den Anforderungen der nationalen und lokalen Gesetze sowie der ILO-Konventionen.
Fair-Handels-Organisationen achten stets auf die Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen in den Produzentengruppen, von denen sie kaufen. Sie fördern regelmäßig das Bewusstsein für Gesundheits- und Sicherheitsbelange und verbessern die entsprechenden Praktiken in den Produzentengruppen.