Bunte Filzhühner beleben derzeit die Schaufensterdekoration im Weltladen Babenhausen. Sie warten nicht nur auf einen warmen Platz im Osternest, sondern stehen auch für Grundsätze des fairen Handels. Gleich zehn Grundsätzen hat sich die World Fair Trade Organization (WFTO) mit ihren über 380 Mitgliedsorganisationen verpflichtet.

Diese Prinzipien sollen uns im Weltladen Babenhausen durch das Jahr 2021 begleiten. Mit ausgewählten Produkten und interessanten Informationen greifen wir in den kommenden Monaten jeweils einen dieser Leitsätze heraus. So können wir über unser Warenangebot hinaus einen Einblick geben in die Welt des fairen Handels, seine Beweggründe, die Stolpersteine, die Lebenssituationen in den Ländern der Welt, aus denen unsere Produkte kommen. Wir können die Gründe beleuchten für die Missstände in vielen Ländern, vornehmlich des globalen Südens. Und dafür sensibilisieren, dass auch unsere westliche Wirtschaft, Politik und oft auch wir Konsumenten als letztes Glied der Lieferkette in mehr oder minder großem Maße dazu beitragen – bewusst oder unbewusst.

„Faire Bezahlung“ lautet einer der Leitsätze des fairen Handels. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, ist es weder hierzulande überall, aber viel weniger noch in den armen Regionen der Welt. Und Fakt ist: Wo viele unter der Armutsgrenze leben, sind oft windige Geschäftemacher, aber auch Großunternehmen nicht weit, um die wirtschaftliche Notsituation für Billiglohnproduktion zu missbrauchen, oftmals sogar noch unter dem Deckmantel des sozialen Engagements. Zum unwürdigen Lohn gesellen sich zumeist krank machende Arbeitsbedingungen. Exemplarisch dafür ist die Textilindustrie in Pakistan oder Bangladesch, wo ganze Bauten über Arbeiterinnen zusammenbrechen und Menschen in giftigen Abwässern herumwaten müssen für Schnäppchen-Shirts auf dem Ladentisch.

Der faire Handel wurde ins Leben gerufen, um den Menschen in benachteiligten Teilen der Welt zu helfen, mit ihrer eigenen Arbeit genug Geld zu verdienen, um ihr Leben und die Teilhabe an der Gesellschaft aus eigener Kraft zu finanzieren. Er verpflichtet sich zur fairen Bezahlung aller an der Lieferkette beteiligten Partner und Kooperativen. Die Entlohnung wird in gegenseitiger Absprache und unter Mitwirkung aller Beteiligen festgelegt, genauso wie der faire Preis für die Ware zwischen Käufer und Verkäufer verhandelt wird und auf einer transparenten Preiskalkulation beruht.*

Was hat nun ein buntes Filzhuhn mit fairer Bezahlung zu tun?

Viel, sagen und wissen wir! In unser österliches Warenangebot haben wir in diesem Jahr Produkte von Sana Hastakala aufgenommen, eine Fairhandels-Organisation, die Handwerker und Handwerkerinnen in Nepal unterstützt. Unser buntes Huhn ist also nepalesischen Ursprungs.

Doch nicht nur farbenfroher Osterschmuck wird von Sana Hastakala vermarktet: Das Angebot reicht von Klangschalen über handgeschöpftes Papier bis hin zu verschiedenen Textilprodukten. Die Möglichkeit, diese in Heimarbeit herzustellen, gibt speziell den Frauen Freiräume, gleichzeitig Kinder zu betreuen und ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften.

Sana Hastakala wurde 1989 mit Unterstützung der UNICEF gegründet. Heute gehören der Organisation ca. 60 Produzentengruppen an. Ein Großteil der über 1200 Handwerker sind Frauen. Durch ihre Arbeit möchte die Organisation das traditionelle nepalesische Kunsthandwerk erhalten und gleichzeitig eine Einkommensmöglichkeit für sozial benachteiligte Schichten schaffen. Die Kunsthandwerker und -handwerkerinnen profitieren von einer fairen Bezahlung und einem dadurch verbesserten Einkommen. Bestellungen werden grundsätzlich vorfinanziert, so dass sie auch größere Aufträge durchführen können, ohne teure Kredite für die Rohmaterialien aufnehmen zu müssen. Darüber hinaus bietet Sana Hastakala Fortbildungsangebote und weitere soziale Leistungen.

Wer also an unserem Schaufenster vorbeigeht und ein buntes Huhn mit Migrationshintergrund sieht, tut etwas Gutes, diesem eine dauerhafte Bleibe im heimischen Wohnzimmer zu geben oder zumindest im heimischen Osterstrauß (kann auch zusammen mit Hasen gehalten werden).

Ein frohes Osterfest wünscht das Weltladen-Team Babenhausen!

 

*Grundsatz 4 im Volltext:

Prinzip 4: Faire Bezahlung

Eine faire Bezahlung wird in ständigem Dialog, in gegenseitiger Absprache und unter Mitwirkung aller Beteiligten bestimmt. Sie sichert den Produzent*innen eine faire Entlohnung und ist marktfähig, wobei das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer zur Anwendung kommt. Das Ziel ist immer die Zahlung von Local Living Wages (siehe unten). Faire Bezahlung umfasst faire Preise, faire Löhne und Local Living Wages.

Faire Preise
Ein fairer Preis wird im Dialog zwischen Käufer und Verkäufer frei ausgehandelt und beruht auf einer transparenten Preiskalkulation. Er beinhaltet einen fairen Lohn und fairen Gewinn. Faire Preise bedeuten einen gerechten Anteil am Endpreis für alle Beteiligten entlang der Handelskette.

Faire Löhne
Ein fairer Lohn ist ein gerechter, frei ausgehandelter und gemeinsam vereinbarter Lohn, der zumindest die Zahlung von Local Living Wages vorsieht.

Local Living Wage
Ein Local Living Wage ist ein Entgelt, das eine Arbeitskraft für eine Standardarbeitswoche (von nicht mehr als 48 Stunden) erhält und das ihr und ihrer Familie einen dem jeweiligen Kontext (Standort) angepassten, würdigen Lebensstandard ermöglicht. Elemente eines würdigen Lebensstandards umfassen Nahrung, Wasser, Wohnen, Bildung, medizinische Versorgung, Mobilität, Kleidung und andere Notwendigkeiten einschließlich einer Summe für Unvorhergesehenes.