Der Weltladen Rendsburg
Jute statt Plastik
Ende der 1970er Jahre gab es in Rendsburg eine Friedensinitiative, eine Gruppe von jungen und älteren Menschen, die darüber nachdachten und informierten, wie und warum ungerechte Zustände in unserer Welt herrschten.
Parallel dazu entstand – angeregt durch Mitarbeitende aus dem Diakonischen Werk Schleswig-Holstein – eine Gruppe, die sich mit fairem Handel beschäftigte. Einige Engagierte organisierten mit Waren, die in einem Regionallager des DW vorhanden waren, immer wieder kleinere Verkaufsstände, z.B. bei Basaren und anderen Veranstaltungen von Kirchengemeinden. Angeboten wurden zu Beginn vor allem Kaffee, Tee, Honig und Jutetaschen. An ihnen ließen sich die Folgen von Kolonialismus weltweit deutlich machen. Wo Monokulturen eingerichtet wurden, fehlten noch Jahrzehnte später die Kenntnisse über den Anbau von Nahrungsmitteln, z.B. in Bangladesch, wo Jute in großen Mengen produziert wurde und Reis eingeführt werden musste. Mit der Plastikindustrie stagnierte der Absatz von Jute und das Land verarmte zusehends.
Aus den kleinen Anfängen mit fairem Handel entstand mehr und mehr das Bewusstsein, mehr tun zu sollen. Verkaufsstände an Wochenmarkttagen wurden aufgebaut. Dies ging nur in der Winterzeit – im Frühjahr und Sommer wurde der Platz für Pflanzen und Blumenhändler benötigt.
Der Verein „Aktionsgruppe 3. Welt e.V.“
Schließlich entwickelte sich der Wunsch, präsenter in der Stadt zu sein. Eine aktive Gruppe junger Menschen traf sich regelmäßig zum Überlegen und Planen. Ein richtiger Laden sollte gesucht werden. Dies erwies sich als schwierig, einerseits der hohen Mietkosten wegen und zum anderen: wer sollte als Mieter auftreten. Eine Privatperson sollte und konnte dies nicht leisten und von einer Organisation wollte man nicht abhängig sein. Also gründeten wir einen Verein. Damals wurde die Welt noch in 1., neue und 3. Welt eingeteilt. Daher der inzwischen veraltete Name.
Der erste Laden
Es fand sich eine Wohnung im 2. Stock über einem Geschäftshaus, die zur Miete angeboten wurde. Der Nachteil der Treppen, so meinten wir, wurde aufgefangen dadurch, dass das Gebäude in der Fußgängerzone lag. Einrichtung, Einweihung, gute Stimmung und Engagement – das alles führte zu ersten kleinen Erfolgen. Die Miete wurde von den Rendsburger Kirchengemeinden, später vom Kirchenkreis Rendsburg getragen. Regelmäßige Gruppentreffen, öffentliche Informationsveranstaltungen, Gedankenaustausch und natürlich Einkauf und Verkauf unserer Waren blieben ein wichtiges Ziel dieser Arbeit.
Umzüge ins und im Kirchenkreisgebäude
Ende der 1980er Jahre ergab sich die Möglichkeit, Räume in der Mühlenstraße im Kirchenkreisverwaltungsamt zu nutzen. Um Mietzahlungen brauchten wir uns keine Gedanken zu machen, die trugen die Ev.-Luth. KIrchengemeinden und der Kirchenkreis weiterhin für uns. Der Publikumsverkehr stieg deutlich an, besonders auch dadurch, dass Mitarbeitende des Hauses auf den Laden aufmerksam wurden und VertreterInnen der Kirchengemeinden bei ihren dienstlichen Besuchen im Amt ihre Bedarfe für die Gemeindearbeit unkompliziert decken konnten.
Die Öffnungszeiten richteten sich nach den Möglichkeiten der LadenhüterInnen, was gelegentlich dazu führte, dass potentielle KundInnen vor verschlossenen Türen standen.
Um 2010 zog der Laden innerhalb des Gebäudes um, sichtbar jetzt vom Portal der Marienkirche her. Mit Kirchenkreishilfe und der Unterstützung vom Weltladen-Dachverband und Zuschüssen von Bingo-Lotto gelang eine professionelle Einrichtung. Allerdings, selbst als der Laden auch über die Mittagszeit geöffnet war, also ganztägig, stiegen die Umsätze nicht entscheidend.
Bildungsarbeit konnte kaum noch angeboten werden, es machte sich unter einigen LadenhüterInnen Unzufriedenheit und Resignation breit.
Der neue Laden in der Nienstadtstraße
Das führte zu dem Plan, jetzt in die Offensive zu gehen und mutig nach einem richtigen Ladenraum zu suchen. Dass Rendsburg seit 2015 Fairtrade-Town ist, war ein weiterer Grund für diese Idee. Lange wurde mit Hilfe der Fair-Handels-Beratung in Hamburg überlegt und abgewogen, bis wir schließlich das Risiko eingingen. Anträge um Zuschüsse an den Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde und an Bingo-Lotto sowie an die Entwicklungsagentur für den Lebens- und Wirtschaftsraum Rendsburg waren erfolgreich und haben uns zu dem Schritt ermutigt, in der Nienstadtstraße Nr. 9 Räume anzumieten. Mit viel kenntnisreicher und ehrenamtlicher Unterstützung waren Renovierungsarbeiten und Einrichtung in zwei Monaten getan, sodass wir am 1. Februar 2017 ein schönes Einweihungsfest feiern konnten.
Der Schritt hat sich gelohnt, der Laden wird gut angenommen, Kundinnen und Kunden zeigen sich erfreut und auch die Zahl der Mitarbeitenden hat sich erhöht.
In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für kirchliche Dienste im Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde können wir in unseren Räumen wieder Informationsveranstaltungen anbieten, z.B. über Produkte, Wirtschaftsformen und auch Begegnungen mit VertreterInnen aus Ländern, aus denen unsere Waren kommen. Öffentlichkeitsarbeit ist möglich, ebenso Kooperation mit den Schulen der Stadt.
Ausblick
Nach nunmehr 7 Jahren am „neuen“ Standort können wir sagen, dass sich der Umzug gelohnt hat und der neue Laden sich rechnet. Daher sind wir zuversichtlich langfristig auf eigenen Beinen stehen zu können.
Und wenn sich noch mehr Menschen aktiv in unser Ladenteam einreihen würden, wäre das ein großer Gewinn für das Gelingen.
Dorothea Heiland